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Gewiss passiert es nicht alle Tage, das ein 25 jähriger eine Fabrik
kauft. Was in den Hafenanlagen von New York und den Lofts in Paris
und Berlin möglich scheint und auch tatsächlich geschah ereignete sich am 10.4.79 in Worms.
Dieser 25 jährige Wormser hiess Georg Dehn und hatte an diesem
Tag die längsten Haare seines Lebens, die ihm wie ein Mob über die Schultern
und seinen Parka fielen. Geo nannte nannten ihn seine Freude und auch
für die Besucher seines Buchladens war und blieb er ein Globetrotter mit
drei Buchstaben. Der Mann, der Ideengeber, ohne den es die Fabrik heute
nicht gäbe, war Geo's Freund Georg Heintz, ein Verleger für Exil-Literatur.
Und der gab ihm den Tipp Gewiss war Geo freischweifend in Paris, Teheran,
London, Beirut und Berlin unterwegs gewesen, war Aussteiger und hatte
nichts gegen Anarchie. So half er den Hopi- Indianern, als eigene Nation
anerkannt zu werden. Er hatte Kontakt mit der Berliner Hausbesetzer-Szene,
kannte die Probleme rechtsfreier Räume und wusste das ein wirklich befreiter
Raum nur sein konnte wenn dieser nicht besetzt, gekraakt oder sonstwie
ein rechtsfreier Raum war. Mit den frisch gewaschenen Jeans wenn auch
mit wenig barem in den Taschen, jedoch mit Idealismus genug, die Welt
gegen eine Neue zu tauschen fühlte er sich auch der Gruppe Bankern gewachsen
die bereit waren sich das Objekt überhaupt anzusehen. In dem fast 100
Jahre alten Gelände der ehemaligen Textilfabrik wurden im Krieg Uniformen
genäht. Feinstrumpfwaren wurden hier in der Wirtschaftswunderzeit produziert.
Der Besitzer der Fabrik war die Pegulan in Frankenthal dessen Hauptaktionär
der Hochfinanz zuzuordnen ist. In den frühen 60er waren dort mal 100 Jugoslawische
Gastarbeiter einquartiert und
als diese Verhältnisse sittenwidrig wurden, stand die Immobilie leer.
"Nein, Herr Dehn, das können wir nicht machen." antworteten
die Banker knapp und ehrlich nachdem sie durch die dunkle Einfahrt des unbewohnten
Vorderhaus kamen. Sieben Banken in Worms hatte Geo abgetingelt, sieben
konnten sich mit "spinnerten" Ideen nicht anfreunden.
"Ohne
Fleiss kein Preis" und "Unser Feld ist die Welt" steht auch heute noch
selbstbewusst in den bleigefassten Fenstern des Flachbaus zu lesen. Sprichworte
der Jahrhundertwende, Relikte aus Zeiten der Vollbeschäftigung. Leitsprüche
einer Konkurrenz orientierten Leistungsgesellschaft die in den 70ern dabei
war den globalen Wettlaüf zu verschlafen.
Von Wohnungen über
Kultur und Gewerbe, ein richtiges Kultur- und Kommunikationszentrum."
schrieb Geo Dehn in sein Tagebuch "sollte es werden". Die Idee eines Kulturellen
Treffpunkts konnte erfolgreich sein. Idealismus genug hatten sie alle;
Peaceniks, Antis und Flowerpower-Spontis. Ihr penetranter Optimismus scheiterte
nicht an der Frage was zu tuen sei. Um autark zu werden fehlte es an Geld.
Geo schrieb; "Nachdem ich die Wormser Banken abgetingelt hatte, landete
ich schliesslich in Bochum, der anthroposophischen Finanz-Zentrale. Ein
positiver Kulturschock. Banker, die keine Krawatten trugen, leger in der
Wildlederjacke zum Kaffe in gemütlicher Wohnzimmer-Athmosphäre
einluden. Sie waren quasi selbst Gründerväter einer Institution,
die einen anderen Umgang mit Geld erreichen wollte.
Die drei, Walter Burkart
und ein Herr Seiler sitzen heute in der Goetheanum Verwaltung in Dornach,
Mackay ist in den '90ern der Generalsekretär der Niederlande geworden,
Sie lšcherten mich hochinteressiert 3 Stunden lang, signalisierten schon
vage eine Zusage und baten mich, nochmal zu kommen. Dann aber mit Beteiligten.
Der Einsatz in Bochum mit der zukünftigen Fabrik-Urbesetzung dauerte
dieses Mal sogar 7 Stunden. Die waren fasziniert von so'n paar Freaks,
die einfach Dinge praktizierten, zu denen sie mit ihren völlig kompatiblen
Steiner-Ideen ihre Anthros* gerne animiert hätten. Und sie sahen,
dass ich allein nicht Theorien schwang, sondern dass da Leute dahinter
standen, die genau so drauf waren und alle für sich in die Richtung
bereits in früheren Aktivitäten Impulse gesetzt hatten. Damit
war die Finanzierung mit wenigen Tagen vor Ablauf der Frist gesichert.
Das Leben in der Fabrik rauschte so richtig los. Und sie sahen, dass die
Wormser nicht nur Theorien schwangen, sondern dass da Leute dahinter standen,
die genau die gleiche Wellenlänge hatten.
Eine jugendliche Rockergruppe
traf sich eine Weile, eine Mopedgang von 16-jährigen, denen keiner
sonst Asyl gab und längerfristig hatten wir noch einen Raum an die
kommunistische Kurdenpartei vermietet, weil die sonst überall Angst
vor dem Überwachungsstaat hatten. Ein Kultur- und Kommunikationszentrum
ist es geblieben. Freiräume für die Kunst zu schaffen fiel den
ersten 'Fabrik' - Bewohnern nicht schwer. Auf fast 2000 qm stellte sich
ihnen ein Areal zu Verfügung welches sich geradezu als ideal erwiesen
hat. Wenn hier die Rute nicht zuckt, wo dann ? Die Kraftarena verwobener
spiritueller Energien und alternative Lebensfreude feierte vor 2 Jahren
ihr 25. Jubiläum. Das Vierteljahrhundert einer Generation die sich
alternativ verstand, gehšren zu der Erfolgsgeschichte die der Verein Fabrik
e.V. jährlich feiert. Wer in Worms heute die (Sub-) Kultur sucht
der nehme sich eine Wünschelrute und dort wo sich Erdstrahlen und
Wasseradern kreuzen da ist die Fabrik. "Das Leben ist schön, hab nie ein
schöneres je geseh'n."
*Anthros: Kurzform umsprachlich für Anhänger
anthrosophischer Lebensart
Fotos: Ohne Fleiss kein Preis/die Welt ist
unser Feld, Keil/Mahla Luftbild/Bildplan.de Schlusszitat: Klaus der Geiger
Hoffoto: Kurt Waiblinger
die ersten Bewohner/ Foto: Geo
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